von Martin
Die Geschichte von visuellen Effekten im Film ist keine der Geschichten, die man sich gemütlich am Lagerfeuer erzählt. Es würde einen ganzen Sammelband benötigen sie ausreichend und zur Zufriedenheit aller Pfadfinder des Cineasten-Sommerlagers wiederzugeben. Die (mutmaßlich) über 48 Ausgaben starke Buchreihe besticht mit schicken Covern auf denen neben vielen Anderen Gravity, Avatar und Der Hobbit um die Wette glitzern.
Kaum ein Film, der sich das Prädikat Hollywood-Blockbuster verdienen möchte, kommt heutzutage noch ohne digitale Effekte aus. (Anm. d. Red.: Ob das jetzt etwas Gutes oder Schlechtes ist, möchte ich an dieser Stelle Eurer Meinung in der Kommentarsektion überlassen.) In diese Betrachtungen fallen natürlich keine Low-Budget oder Independentproduktionen, sowie zum großen Teil das Art House Kino und Szenefilme.
Leider kommt es bei der allumfassenden CGI Schlacht des zeitgenössischen Hollywoods auch immer wieder zu Kollateralschäden und diejenigen, für die diese vielen Filme so aufwändig produziert werden, stören sich an dem artifiziellen Aussehen der Schauplätze, Charaktere und der teilweise – zugegebenermaßen – übertrieben animierten Flora und Fauna.
Da erfreut es umso mehr, dass es auch Computeranimationen gibt, die das Konsumentenauge in erster Linie gar nicht als solche wahrnimmt, welche dann aber, in dem Wissen es mit Bildern aus der Konserve zu tun zu haben, umso beeindruckender sind. Ein sehr gutes Beispiel sind die Winklevoss Zwillinge aus David Finchers The Social Network von 2010. Was steht da – „Zwillinge“? Pustekuchen! Ein Blick in die IMDB verrät was damit gemeint ist:
Der ein oder andere hat jetzt vielleicht ein kühnes „Verstehe ich nicht.“ auf den Lippen. Zur Aufklärung: Die als Zwillinge betitelten Winklevoss Brüder wurden nicht, wie durchaus üblich, von einem Schauspieler verkörpert, der sich in der Postproduktion auf wundersame, offensichtliche Weise verdoppelt hat – Nein. Fincher hat sich der Sache ein wenig diffiziler angenommen, in dem er die beiden Rollen mit zwei Schauspielern besetzen lies um dann nur das Gesicht von Armie Hammer auf den Körper von Josh Pence zu setzen – mit dem Ergebnis, dass sich jetzt zwei glaubhafte, individuelle Charaktere über Mark Zuckerberg aufregen können, denen man aber ohne zu zögern abkauft Zwillinge zu sein.
Um Körperhaltung und Bewegung auf einander abzustimmen mussten ganze Szenen von den beiden doppelt gespielt werden. Dass man dafür eine Menge moderner Technik und viel Zeit benötigt, steht außer Frage.
Schaut Euch dazu dieses Behind the Scenes an!
Hier haben Fincher und seine VFX-Artists folgendes geschaffen: eine angenehme, homogene Mischung von Realität und Computergrafik, bei der man nicht den Kopf schütteln muss, weil einem die Effekte wortwörtlich (angesichts des derzeitigen 3D Wahnsinns) ins Gesicht geworfen werden. Vielleicht lässt sich das mit den guten alten Cartoons vergleichen, bei denen man sofort erkennen konnte was sich als nächstes bewegt, weil die Linien um das Objekt oder die Person dicker waren als beim restlichen Bild. Damals cool – heute lästig.
Es guckt sich einfach gut weg. Würde man sagen wenn man auf der Straße darauf angesprochen wird.
Und das ist genau das, was begeistert. Ein Film, dem man den ungeheuren Aufwand auf den ersten Blick nicht ansieht und der einem das Gefühl verschafft nicht genau zu wissen warum, aber mit Bestimmtheit sagen kann, dass er einem gefällt.
Also anstatt beim nächsten Zeltlager sofort zum großen „How to Avatar Folianten“ zu greifen, fühlt Euch frei – wenn auch nur für einen kurzen Augenblick – im fincheresken Pfennigroman zu blättern.